Sprossen
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Keimen – Bioverfügbarkeit

Steigerung der Nährwerte durch das Keimen von Samen

Wie können aus von Natur aus unverdaulichen Samen und Nüssen gut verdauliche Lebensmittel wie Sprossen und Keimlinge werden? Das Wunder des Keimens zeigt es uns.

Den Samen kann man sich als eine Art Embryo (Keimling) im Mutterleib vorstellen. Um ihn herum ist eine Schutzhülle und für den Fall des Keimens hat er einen Rucksack Essen dabei. Das Essen befindet sich überwiegend im Mehlkörper und die kleine Mahlzeit während der Keimruhe direkt neben dem Embryo.
Der Samen, besser gesagt der Embryo hält während der sogenannten Keimruhe eine Art Winterschlaf. Sein Stoffwechsel fährt auf niedrigster Stufe. Stimmen die Bedingungen und kann der Samen seiner Natur folgen und eine Pflanze werden , fängt der Samen an zu keimen.

Der Keimvorgang ist sehr komplex und die Bedingungen für das Keimen können für den jeweiligen Samen sehr unterschiedlich und nicht weniger komplex sein.
Dabei hat sich die Natur etwas gedacht. Samen dienen Pflanzen zur Fortpflanzung und werden meist in Früchten eingelagert. Während die Früchte gut verdauliche Nahrung für Mensch und Tier sind, werden die Samen vor der Verdauung geschützt. Samen können dann ausgeschieden werden und es kann eine neue Pflanze entstehen. Wir Menschen tragen so zur Artenvielfalt auf dieser Welt bei.

Keimen – Erforderliche Bedingungen

Zum einen muss der Samen reif sein für den Keimvorgang. Samen werden zu bestimmten Zeitpunkten geerntet. Hier spielt in der Landwirtschaft das Wetter eine wichtige Rolle und  so werden immer wieder Samen geerntet welche nicht reif sind. Samen die nicht reif sind keimen schlecht oder gar nicht. Also nicht wundern wenn gekaufte Samen mal nicht keimen, evntuell wurden sie zu früh oder zu spät geerntet. Zum anderen müssen die Umgebungsbedingungen stimmen. Es müssen wichtige Nährstoffe vorhanden sein. Dies ist nicht nur in der Natur wichtig, sondern auch zu Hause wenn wir selbst keimen möchten.

Der wichtigste Nährstoff, den ein Samen benötigt ist, Wasser. Wasser ist der Quell allen Lebens und um keimen zu können brauch der Samen viel Wasser. Dieses benötigt er für die komplexen Stoffwechselvorgänge, bei denen jede Menge Wasser benötigt wird. Zudem müssen Temperatur, Licht, Jahreszeit und viele andere Dinge stimmen. Diese Bedingungen können von Samen zu Samen sehr unterschiedlich sein. Während Samen von Wildkräutern oft Kälteperioden oder auch Hitze benötigen, um gut zu keimen, brauchen Samen, die wir für unsere Keimgeräte kaufen können nur wenige einfache Voraussetzungen.

Keimen – Steigerung der Bioverfügbarkeit/ Nährwerte

Zu Beginn des Keimvorgangs saugt der Samen sich mit ausreichend Wasser voll und kann dabei das 3 fache seines Gewichtes und an Umfang zulegen. Wenn wir uns die Menge Wasser anschauen, welche der kleine Samen zu Keimen benötigt, können wir auf die immense Menge Wasser schließen, welche wir beim Verzehr ungekeimter Produkte aus Samen (Brot, Nudeln etc. ) benötigen. Ab einer bestimmten Wassermenge beginnt der Keimstoffwechsel. Der Samen beginnt die in ihm gelagerten Baustoffe wie Proteine, Fette und auch Stärke ab- bzw. umzubauen, um daraus wiederum eine neue Pflanze zu bauen.

Gut gekeimt ist halb verdaut

Während des Keimvorgangs werden hochmolekulare und sehr komplexe Speicherstoffe in niedermolekulare und einfach zu verdauende bzw. direkt verwertbare Stoffe ab- bzw. umgebaut. Aus Sicht der menschlichen Verdauung kann man sagen, dass der Prozess des Keimens eine Art Vorverdauung darstellt. Inhaltsstoffe, welche vorher nicht bzw. nur unter hohem Energie- und Wasseraufwand verfügbar waren, werden jetzt leicht verfügbar.

Kohlenhydrate

Während des Keimens nutzt der Samen die Kohlenhydrate zur Energiegewinnung. Dazu baut er die Stärke zu einfachen Zuckermolekülen ab. Es entsteht während der Keimung ein ständig wechselndes natürliches Gemisch aus einfachen Zuckern wie Glucose, Maltose, Fructose oder auch Saccharose. Diese können von unseren Zellen teilweise direkt aufgenommen werden und sind somit wunderbare Energielieferanten für uns Menschen.

Fett

Beim Keimen kommt es zur Spaltung des Fettes und die gebundenen Fettsäuren werden frei verfügbar. Sie werden vom Samen verarbeitet und sind für die menschliche Verdauung sehr wertvoll. Besonders der Anteil ungesättigter freier Fettsäuren steigt dabei an. Bekannt sind hier vor allem die ungesättigten Omega 3-6-9 Fettsäuren, welche ein optimales Verhältnis bekommen.

Eiweiß

Wie wir schon bei den Inhaltsstoffen gelernt haben, werden die verschiedenen Eiweiße während des Keimens abgebaut bzw. es entstehen aus zum Teil neuen Aminosäuren neue Eiweiße. Das Aminosäure-Profil und die Wertigkeit des Gesamteiweißes verändern sich also dramatisch zugunsten einer bessern Verdauung und Verwertung. Der Anteil des Gesamteiweißes (bezogen auf die Trockenmasse) steigt um bis zu 30%. Besonders wichtig ist, dass der Anteil leicht bzw. direkt verwertbarer freier Aminosäuren enorm steigt und die schwer bzw. unverdaulichen Speichereiweiße abnehmen.

Keimen – Zahlen und Fakten

Im Folgenden einige Beispiele wie sich Inhaltsstoffe wie Vitamine, Mineralien oder auch Eiweiße während der Keimung verändern und der Samen zu einem richtigen Superfood für Menschen wird. Zu erwähnen ist, dass dies immer eine Momentaufnahme ist, und die Werte natürlichen Schwankungen unterliegen. Besonders beeinflusst werden die Werte durch die Reife der Samen. Die Tendenzen können allerdings klar abgelesen werden.

Keimung Buchweizen Diagramme
Steigerung der Nährstoffe durch das Keimen

Der Anstieg an Vitamingehalten im Verlaufe der Keimung ist vor allem bei Vitaminen des B-Komplexes, so wie bei den Vitaminen C, E und K beträchtlich. Ebenfalls von Vorteil ist, dass durch den Keimvorgang der Phytinsäure gehalt sinkt, denn Phytinsäure in Getreidekörnern oder Hülsenfrüchten vermindert die Aufnahme einiger lebenswichtiger Mineralstoffe aus Nahrungsmitteln.

Die Grafik macht deutlich, das unabhängig von der Samensorte, die B Vitamine während des Keimens enorm stark ansteigen. Besonders bei Hülsenfrüchten wie Bohnen und Erbsen ist dies schon nach kurzer Keimzeit zu beobachten.

Enzymhemmer, Inhibitoren & Co

Beim Keimen kommt es vor allem zu zwei, für die menschliche Verdauung wichtigen Prozessen. Durch das Eindringen von Wasser und die richtige Temperatur lösen sich Enzym-Hemmer und wichtige Enzyme können aktiv bzw. gebildet werden. Der Samen erwacht aus der Keimruhe und sein Stoffwechsel steigt an. Enzyme verwandeln komplexe Verbindungen in einfache für den Keimling verwertbare Stoffe. Diese sind dann auch für den menschlichen Organismus leicht zu verdauen bzw. direkt verwertbar.

Forscher haben die Funktion und die Wirkung solcher Inhibitoren in Samen vor und während der Keimung untersucht und erstaunliches festgestellt.
Während der Keimung bauen sich Enzym-Hemmer und Inhibitoren schon in der Anfangsphase schnell ab. Das macht von Natur aus Sinn, denn während der Keimung baut der Samen z.B. seine Speicherproteine in die jeweiligen Aminosäuren ab. Dies geht nur, wenn die entsprechenden Inhibitoren inaktiv und die Verdauungsenzyme aktiv werden.

Durch Nahrung aufgenommene Inhibitoren wirken ähnlich die Verdauung hindernd wie im ursprünglichen Samen. So kann es trotz einer hohen Menge aufgenommener pflanzlichen Nahrung zu gravierenden Mangelerscheinungen kommen.
Dies erklärt auch unter anderem die direkte Wirkung gekeimter Saaten auf die Verdauung und damit auf die Gesundheit bestimmter mit gekeimten Saaten ernährten Bevölkerungsgruppen.

Beispiele Phytinsäure und der Trypsin Inhibitor 

Durch den Keimvorgang sinkt der Phytinsäuregehalt. Phytinsäure in Getreidekörnern oder Hülsenfrüchten  bindet Mineralien und vermindert so die menschliche Aufnahme einiger lebenswichtiger Mineralstoffe aus Nahrungsmitteln.Trypsin ist ein Gemisch dreier Verdauungsenzyme und gehört zu den Proteasen, welche Proteine in ihre Grundbausteine den Aminosäuren zerlegen, so dass diese wieder direkt oder indirekt von Lebewesen verwendet werden können. In Samen funktioniert dieses Prinzip ebenso wie beim Menschen. Unter anderem japanische Forscher konnten feststellen, dass sich die Trypsin Inhibitoren schon nach 4 Tagen der Keimung von Buchweizen bis auf fast 0% Aktivität abbauten.
Zudem begann schon nach kurzer Zeit ein Abbau der Proteine in freie Aminosäuren und die Umwandlung derer in ein geändertes Aminosäure-Profil zugunsten basischer Aminosäuren.
Die Wertigkeit und Verdaulichkeit der Proteine und Aminosäuren stieg signifikant an.

Keimen und Auswirkungen auf unsere Gesundheit

Die Stoffwechselvorgänge im Samen während des Keimens sind denen unserer Verdauung gleich bzw. sehr ähnlich. Dies stellt eine Art Vorverdauung unserer Nahrung dar und impliziert bzw. drängt schon die Annahme auf, dass gekeimte Nahrung bzw. Lebensmittel aus Samen verträglicher und damit eine gesündere Wirkung auf den Menschen hat.

Keimen und Sprossen in unserer Ernährung sind kein neues Phänomen. So finden sich einige Studien zu gesundheitlichen Wirkungen gekeimter Samen bzw. Produkte aus gekeimten Samen. Hier sind besonders Reis, Buchweizen und auch Getreidesorten untersucht worden.

In Studien konnten z.B. die positiven Wirkungen von Pasta auf Basis gekeimten Buchweizens nachgewiesen werden. In Versuchen mit Ratten zeigte sich ein verringertes Risiko für Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen. Ferne zeigten sich verbesserte bio-chemische Parameter, welche Einfluss auf einen gesunden Blutdruck haben.

Zur Auswirkung gekeimter Samen/ Sprossen auf die menschliche Fitness und Gesundheit wird es einen gesonderten Beitrag geben.

Keimen – Zusammenfassung/ Vorteile

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Keimvorgang folgende positive Veränderungen für den Samen als Nahrungsmittel mit sich bringt:

  • Verbesserung der Verdaulichkeit
  • Steigerung der Bioverfügbarkeit
  • Gehalt an Vitaminen, Mineralien und Enzymen steigt um ein Vielfaches
  • Abbau von Säuren und Giften
  • Allergene werden abgebaut
  • Basische Verstoffwechslung

Durch den Keimvorgang zaubert also die Natur aus unverdaulichen teils sehr giftigen Samen lecker schmeckende gut verdauliche Lebensmittel. Hier gilt es weiter zu forschen und neuartige natürliche Lebensmittel für Menschen zu entwickeln. Besser ist natürlich unsere Nahrung direkt aus der Natur in natürlicher Form zu entnehmen.

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Nüsse aktivieren, Sekundäre Pflanzenstoffe, Buchweizen Sprossen

Quellenverzeichnis

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M., Marton, Zs., Mandoki, Zs., Csapo-Kiss, & J., Csapo. (210 C.E.). The role of sprouts in human nutrition. A review. http://www.acta.sapientia.ro/acta-alim/C3/alim3-5.pdf

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